Ausgabe 03/2020

Schwächelnde WTO

ddw03-2020

Ende Januar lockte wie jedes Jahr die Internationale
Grüne Woche das »Who is who« der Agrarbranche
nach Berlin. Auch dieses Jahr wurde dieser Rahmen
wieder genutzt, um Kontakte zu pflegen und
politische Gespräche zu führen. Neben der aktuell
geführten gesellschaftlichen Auseinandersetzung um Nachhaltigkeit,
Umwelt- und Klimaschutz diskutierte der Weinsektor
auch die Herkunftsprofilierung im Rahmen der aktuellen Weinrechtsreform.
Angesichts ihrer großen internationalen Beteiligung
(72 Länder) lenkt die Internationale Grüne Woche auch
jedes Jahr meine Gedanken auf die aktuellen Entwicklungen
des internationalen Handels unserer Branche.
Bundesministerin Klöckner hat im vergangenen Jahr die
deutsche Weinwirtschaft wieder in die Exportförderung aufgenommen.
Mit dieser Maßnahme will das Ministerium aktiv daran
mitwirken, den Kreis der ausländischen
Handelspartner auszuweiten. Dabei geht es
vor allem um die Erschließung neuer Absatzmärkte
und darum, die Wettbewerbsfähigkeit
vor allem der kleinen und mittleren Unternehmen
zu erhöhen. Vor diesem Hintergrund
werden zum Beispiel dieses Jahr Unternehmerreisen
nach Tschechien oder eine Markterkundungsreise
nach Indien angeboten, die
vom BMEL gefördert werden.
Schaut man sich die aktuelle Trinkweinbilanz in Deutschland
an, könnte sich der ein oder andere Erzeuger bestimmt
überlegen, seine Exportaktivitäten zu intensivieren. Bei einem
insgesamt leichten Rückgang des durchschnittlichen Still- und
Schaumweinkonsums (auf 23,4 Liter pro Person) hat der Stillweinabsatz
in Deutschland im Vergleich zur Vorjahrsperiode
knapp 2 Prozent verloren. Zur Erinnerung im Stillweinbereich
ergibt sich eine Verteilung von 43 Prozent deutscher und 57
Prozent importierter Wein.
Doch auch unser Exportgeschäft steht seit langer Zeit vor großen
Herausforderungen. Führt man sich vor Augen, dass die
USA das wichtigste Zielland für Weine deutscher Herkunft sind,
gefolgt von den Niederlanden und Großbritannien, wird die aktuelle
Misere im Exportgeschäft schnell deutlich. Erzeuger, die
in die USA exportieren, müssen aktuell Strafzölle in Höhe von
25 Prozent hinnehmen, die gegebenenfalls in wenigen Monaten
auch noch angehoben oder ausgeweitet werden. Ein Ende
des Konfliktes ist trotz lauter Proteste der Branche und ständigen
Verhandlungsversuchen der EU-Kommission derzeit nicht
in Sicht. Je länger die Strafmaßnahmen der USA andauern,
desto schwieriger wird es werden, die verlorenen Regalmeter
wieder zurückzuerobern. Die geforderten Ausgleichsmaßnahmen
für die betroffenen Erzeuger bzw. die Flexibilität bei den
Absatzförderungsmaßnahmen werden das auch nicht abfedern
können.
Auch die Exporteure, die noch auf den britischen Markt setzen,
stehen vor einer sehr ungewissen Zukunft. Ende dieser
Woche wird wohl der definitive Austritt Großbritanniens aus
der EU beschlossen werden. Bis Ende des Jahres wird sich am
Status Großbritanniens zwar nichts ändern, das Exportgeschäft
wird vermutlich in dieser Übergangsphase nochmals ordentlich
boomen. Sollten es die EU und Großbritannien nicht schaffen,
bis Ende des Jahres ein Freihandelsabkommen auszuhandeln
und zu ratifizieren, dann droht ein harter Brexit. Nicht viel Zeit!
Die aktuelle Schwäche der Welthandelsorganisation
(WTO) – auch als schlichtende
Einrichtung – sorgt ebenso wenig für Optimismus
im internationalen Handel wie die seit
Jahren ins Stocken geratenen internationalen
Verhandlungen (Doha-Runden) zur Stärkung
eines multilateralen Handelssystems.
Aber genug mit der Schwarzmalerei! Einige
bilaterale Abkommen der EU, die das multilaterale
Handelssystem ergänzen, sind in den letzten Jahren
abgeschlossen worden. Neben der Beseitigung von tarifären
und nicht tarifären Handelshemmnissen sind
diese Abkommen für den Schutz unserer geschützten
Herkunftsbezeichnungen von
großer Bedeutung. Mitte Februar soll das
EU-Parlament einem Abkommen der EU
mit Vietnam zustimmen. Und im Konflikt
mit den USA dürfen wir nicht müde werden,
die Verhandlungsführer immer wieder
aufs Neue zu motivieren, eine schnelle
Einigung mit den USA zu erzielen, die für
eine gewisse Erholung im US-Exportgeschäft
sorgen könnte. F