Die südeuropäischen Weinbauländer kämpfen mit großen Lagerbeständen
Die südeuropäischen Weinbauländer kämpfen mit großen Lagerbeständen

Corona verändert EU-Weinbau

Am 6. Mai tagte zum zweiten Mal das European Wine Market Observatory. Vergleichbar mit anderen Agrarsektoren hat die Europäische Kommission dieses Expertengremium für den Weinmarkt eingerichtet, um direkt aus den Anbauländern Informationen zu sammeln und zeitnah reagieren zu können. Der Deutsche Weinbauverband hat im letzten Herbst Prof. Dr. Simone Loose als Expertin für Deutschland bestellt.

Hauptthema der virtuellen Sitzung waren die Auswirkungen von Corona in den Anbauländern. Auf der Konsumseite sind diese vergleichbar mit Deutschland: Gastronomie ist total weggebrochen, Online boomt ausgehend von einer sehr kleinen Basis, Nahversorger haben an Bedeutung zugenommen, und große Verbrauchermärkte (Hypermarkets) verlieren. 

Das absolute Ausmaß der Absatzrückgänge der Weingüter ist jedoch aus zwei Gründen deutlich höher als in Deutschland. Zum einen spielt die Gastronomie in den mediterraneren Ländern vor allem durch Tourismus eine wesentlich stärkere Rolle (Anteil am inländischen Absatzvolumen 30%, am Umsatz 50%), und zum anderen sind die Exportanteile von Frankreich, Spanien und Italien um ein Vielfaches höher. 

Der Export ist schon Ende letzten Jahres (außer für Italien) durch die amerikanischen Strafzölle stark eingebrochen und jetzt durch das globale Ausmaß der Krise über alle Märkte noch einmal deutlich reduziert. Französische unabhängige Winzer geben im Vergleich zum Vorjahr für März einen Umsatzrückgang von 51 Prozent und für April einen Rückgang von 71 Prozent an.

Auch spanische Weingüter gehen durch die Schließung von HoReCa von einem Umsatzverlust von 50 Prozent aus, während ihr Absatzvolumen im Inland um 30 Prozent gesunken ist. 

Die Experten zeichneten ein dramatisches Bild einer bisher nicht gesehenen Krise. Die Keller sind in vielen Regionen durch die große 2018 Ernte noch mit Wein aus dem Vorjahr voll und nur wenige Betriebe erwarten ausreichend Absatz, um Platz für die 2020er Ernte zu schaffen. 

Es werden deshalb von den Branchenverbänden Maßnahmen zur Krisendestillation von beträchtlichen Mengen und zur Ertragsregulierung (grüne Ernte) gefordert, für die jedoch nationale Budgets genutzt werden müssen. Der globale Preisdruck auf den Fassweinmärkten steigt zusätzlich durch bisher in China abgesetzte Mengen aus Australien und Chile. 

Die Runde war sich darin einig, dass der Weinabsatz über HoReCa durch die Distanzmaßnahmen nur spät wieder an Fahrt aufnehmen wird. Viele befürchten eine langfristige deutliche strukturelle Verringerung des Weinabsatzes, dem sich die Produktionsseite anpassen muss.  

Innerhalb von Europa schlagen Vertreter aus Spanien, Italien und Frankreich auch die Freigabe des Onlineverkaufs über europäische Ländergrenzen hinaus vor, um ihre Direktkunden erreichen zu können, die bei geschlossenen Grenzen nicht zum Einkaufen kommen können. Hier liegt noch die Stärke der deutschen Winzer, die ihre Direktkunden vor der Haustür haben und nicht durch ähnlich starken Konsumrückgänge im Inland alle Karten auf den Export setzen mussten. Wer hätte gedacht, dass die deutsche Exportschwäche uns einmal zum relativen Vorteil gereicht. Simone Loose

Ausgabe 8/2024

Themen der Ausgabe

Württemberg

Die Bewirtschaftung zu teuer, die Bestockung sehr rot – die Weingärten im Ländle stehen vor Veränderungen.

Christof Queisser

Der Vorsitzende der Geschäftsführung von Rotkäppchen-Mumm im Interview.

Sommerwein

Wenn die Sonne scheint, muss es nicht immer weiß sein – wann Rotwein auch im Sommer passt.