Ideal für Mehrwegflaschen und in der Braubranche deshalb am häufigsten genutzt: die Kaltleimetikettierung (Foto: Gernep)
Ideal für Mehrwegflaschen und in der Braubranche deshalb am häufigsten genutzt: die Kaltleimetikettierung (Foto: Gernep)

„Wir liefern technische Maßanzüge“

Egal, ob auf der Longneck-, der Bügel­flasche oder der Dose, das Etikett weist ein Bier aus. Für den perfekten Sitz auf egal welchem Gebinde sorgen Maschinen wie jene des Herstellers Gernep. Ein Gespräch mit Geschäftsführer Martin Hammerschmid über Geometrien, die zueinander passen müssen, über den Sinn mechanischer Module im Zeitalter der Digitalisierung und technische Maßanzüge.

Interview: Marika Schiller


Herr Hammerschmid, man sagt, der Hopfen sei die Seele des Bieres, das Malz der Körper. Was ist dann das Etikett?
Ganz klar: Das Etikett ist die Visitenkarte des Bieres und der Brauerei. Es ist das Aushängeschild, das Dokument, das man als erstes von sich zeigt.

Ein Etikett muss also richtig sitzen. Macht die Flaschenform einen Unterschied?
Nun, in erster Linie müssen die Geometrien passen. Entscheidend ist aber auch das Flaschen- und Etikettenhandling. Wie also werden die zu verarbeitenden Materialien geführt, angefasst, angebürstet. Alle Materialien, Flasche, Etikett, Leim, also auch die externen Komponenten, müssen den Anforderungen entsprechen. Hierzu bedarf es langjähriger Erfahrung und Know-how, sei es in der elektrischen und mechanischen Konstruktion, in Produktion, Montage und vor allem auch im Service.

Als nahezu ideales Gebinde für Bier feiert seit einigen Jahren die Dose ihr Comeback. Können Sie diesen Trend bedienen? Wie groß ist die Nachfrage?
In der Tat, die Renaissance der Dose ist für uns ein wichtiges Thema. Vor allem für kleinere Brauereien bedeutet sie aber auch einen logistischen Aufwand. Die Dosen in der bedruckten Variante vorrätig zu halten, ist kaum machbar. Da bietet sich alternativ die Etikettierung neutraler Dosen geradezu an. Für den kleinen Leistungsbereich haben wir einen kompakten Linear-Selbstetikettierer speziell für Dosen-rundum-Etikettierung aufgelegt, den wir seit diesem Jahr im Produktportfolio haben. In der Szene hat dieser richtig eingeschlagen und wir konnten eine große Stückzahl verkaufen. Natürlich bedienen wir auch den größeren, leistungsstärkeren Markt mit unseren klassischen Rundläufermaschinen in der Nonstop-Ausführung, mit Zusatzoptionen wie Kameraausrichtungen, wenn bereits bedruckte Dosen etwa für den Export teilbeklebt werden müssen. Auch im Falle von sogenannten All-in-one-Maschinen im Bereich der Abfüllung, wenn also Flaschen und Dosen gleichermaßen bedient werden, können wir Lösungen anbieten. Beispielsweise die Kombinationsmaschinen mit Nassleimaggregaten für Mehrweg-Glasflaschen sowie Selbstklebe-Etikettiersystemstationen für Dosen oder Glasflaschen im Einwegbereich.

Können Sie auf sämtliche individuelle Wünsche eingehen? Wo sind technischen Grenzen?
Natürlich muss alles physikalisch umsetzbar sein. Passen die Flaschen und Dosen nicht zu den Etiketten, können wir das nicht richten. Ansonsten sind wir aber bekannt dafür, für jede noch so besondere Anforderungen des Kunden Lösungen zu finden und technische Maßanzüge zu liefern. Unsere mittelständische Struktur ist hierfür ideal. Unser Anspruch ist es nämlich, nicht nur hochwertige Maschinen auszuliefern, sondern auch zuverlässigen Service zu bieten. Dabei ist es uns enorm wichtig, für den Kunden auf unkomplizierten und kurzen Wegen erreichbar zu sein. 

Was waren die spannendsten Entwicklungen der jüngsten Vergangenheit?
Wir haben die komplette Serie der Nassleim- und Selbstklebe-Etikettierung neu aufgelegt. Der Fokus lag dabei nicht nur auf der neuesten Technik, sondern auch auf einer optimierten Bedienbarkeit. Unsere Aggregate lassen sich im Produktionsprozess alle schnell auf- und abrüsten, sodass Stillstandzeiten auf ein Minimum reduziert werden. Durch die zunehmende Vielfalt an Individualflaschen ist gerade auch die mechanische und optische Flaschenausrichtung ein Thema.

Martin Hammerschmid, Geschäftsführer Gernep (Foto: Gernep)
Martin Hammerschmid, Geschäftsführer Gernep (Foto: Gernep)

Das Etikett ist die Visitenkarte des Bieres und der Brauerei.

Martin Hammerschmid,
Geschäftsführer Gernep

Wie sehr hat die Digitalisierung auch Einfluss auf Ihre Innovationen genommen? Oder gibt es Elemente und Vorgänge, die gewollt mechanisch ablaufen?
Eine spannende Frage, zumal wir zwar alle mittendrin sind in diesem Prozess, aber zugleich auch ganz am Anfang stehen. Ich denke, es gilt den Spagat zu finden zwischen schnelllebiger Digitalisierungsentwicklung und langfristiger Beständigkeit. Schließlich sind wir im Investitionsgütergeschäft. Insofern bieten sich auch mechanische Lösungen an, die mit digitalen Elementen kombiniert werden, um einerseits mit dem Trend Schritt zu halten, aber auch Langlebigkeit zu gewährleisten. Der aktuelle Beschaffungsmarkt hat uns allen die Augen geöffnet. Haben wir vor der Corona-Pandemie geglaubt, dass alles möglich sei, wissen wir nun um die Grenzen.

Hat sich die Craftbier-Bewegung auch in Ihrem Bereich bemerkbar gemacht? In welcher Art und Weise?
Wir sind praktisch Teil der Brauerszene und spüren deshalb jede Bewegung sehr schnell und direkt. Da wir viele Kunden auch im Ausland bedienen wie in den USA, wussten wir um den Craftbier-Trend lange bevor dieser in Deutschland angekommen ist. Es war nur eine Frage der Zeit, bis die Welle auch uns erreichen und neue Innovationen erforderlich machen würde. Speziell für die Craftbrauer haben wir dann unsere Einstiegsmaschine entwickelt.

Ob Craftbrauerei oder mittelständische Brauerei – macht das für Sie einen Unterschied?
Eigentlich nicht, decken sich doch hier die Ansprüche an die Anforderungen. Angepasst werden muss lediglich die Größe der Maschine und ihr Leistungsbereich.

Je nach Branche arbeiten Sie mit verschiedenen Etikettiersystemen. Welche Technik wird im Speziellen von den Brauern nachgefragt?
Am beliebtesten bei den Brauern ist die klassische Kaltleimetikettierung. Auch wenn in der Branche alle anderen Techniken am Markt sind, stellt diese im Mehrwegbereich nach wie vor die Haupttechnologie dar. Deshalb haben wir hier auch einen Fokus bei den Neuentwicklungen gesetzt. Bei der Dose ist es, wie schon erwähnt, die Selbstklebe-Etikettierung, die aber im Mehrwegbereich kaum eine Rolle spielt.

Gernep hat sich weltweit als Spezialist in Sachen Ettiketierung etabliert. Gibt es länderspezifische Besonderheiten?
Ja, diese gibt es schon. Doch gehört es für uns zu den Standardprozessen, auf diese Erfordernisse einzugehen, wie etwa unterschiedliche Flaschengrößen zu berücksichtigen oder technische und elektrische Auslegungen. Wir haben bereits Kunden in 120 Ländern der Welt beliefert und insofern eine gewisse Übung im Umgang mit anderen Braunationen.

Seit 2015 gehört das Unternehmen zum Anlagenbauer Krones. Warum war dieser Schritt wichtig? Welche Vorteile genießt dadurch der Brauer?
Das war damals eine sehr weise und gute Entscheidung, zumal auch die Konzernzugehörigkeit sehr klug geregelt wurde. Gernep kann weiterhin eigenständig als mittelständisches Unternehmen agieren, genießt aber die Vorteile des Konzerns. Dazu gehören Möglichkeiten der technischen Weiterentwicklung, die Optimierung von Geschäftsabläufen, also Supply Chain Management, oder aber auch, auf die aktuelle Situation auf dem Beschaffungsmarkt reagieren zu können. Besonders in den Monaten mit Corona und den Reiserestriktionen haben wir deutlich vom Netzwerk des Konzerns profitiert, etwa im After-Sales-Geschäft und in der internationalen Kundenbetreuung. Nach sechs Jahren können wir eine sehr positive Bilanz des Zusammenschlusses ziehen, der für uns als Unternehmen viele Vorteile hat und sich letztlich auch beim Kunden bemerkbar macht.

 

Das Unternehmen
1985 im bayerischen Barbing, vor den Toren der Weltkulturerbestadt Regensburg, gegründet, hat sich Gernep zu einem weltweit etablierten Spezialisten in der Etikettiermaschinenindustrie mit 100 Mitarbeiter*innen entwickelt. Zu Beginn noch auf mittelständische Brauereien spezialisiert, werden heute Kunden aus der gesamten Getränke-, Lebensmittel-, Consumer-Healthcare- und Nonfood-Industrie bedient. Das Produktportfolio umfasst Rundläufer- und Linear-Etikettiermaschinen für flexible Selbstklebe-, universelle Kaltleim- und rationelle Heißleimetikettierung von der Rolle oder aus dem Magazin. Die Maschinen von Gernep sind weltweit in mehr als 120 Ländern im Einsatz.