Mit jedem Anstieg der Inflation wächst auch der Preisdruck zwischen Herstellern und Händlern. (Foto: Pixabay)
Mit jedem Anstieg der Inflation wächst auch der Preisdruck zwischen Herstellern und Händlern. (Foto: Pixabay)

Inflation: Getränkehersteller hoffen auf Milde des Handels

Die Social-Investing-Plattform eToro hat in ihrem erstmals veröffentlichten Bier-Preis-Index festgestellt, dass die Rohstoffkosten für die Bierproduktion, inklusive Verpackung und Transport in den letzten 2 Jahren um 62 Prozent in die Höhe geschossen sind. Doch die angekündigten Preiserhöhungen von Getränkeherstellern erzielen im Handel aus vielerlei Gründen nicht die erwünschte Wirkung.

Doch zurück zur Bier-Preissteigerung: Diese übertreffe den 11,6-prozentigen Anstieg des deutschen Verbraucherpreisindexes (VPI) im gleichen Zeitraum dramatisch. Der eToro Bier-Index (einfach gewichteter Index) basiert auf den aktuellen Spotpreisen eines Rohstoff-Korbs mit sechs Bestandteilen: Dazu gehören Weizen, Gerste, Reis, Malz, Aluminium (für Dosen) und Benzin (für Transport und Landwirtschaft). Ergebnis: Seit dem 20. August 2020 sei der Bier-Index um 62 Prozent gestiegen, wobei der Ukraine-Krieg ein wesentlicher Preistreiber sei. Gerste und Malz verteuerten sich um 104 bzw. 87 Prozent, der Benzinpreis um satte 138 Prozent.

Kaum Chancen auf Preiserhöhungen

Ob auf Biertrinker in den kommenden Monaten Mehrkosten zukommen, weil die Brauereien nach Möglichkeiten versuchen, ihre Steigerungen auszugleichen, ist dennoch fraglich: "Hier ist der Wunsch nach den so dringend notwendigen Preiserhöhungen eher der Vater des Gedankens", dämpft ein Preisexperte einer großen Unternehmensberatung (der nicht genannt werden möchte) die Hoffnung auf Besserung. Dies habe zum einem kartellrechtliche Gründe: "Grundsätzlich steht es jedem Hersteller frei, Preisempfehlungen auszusprechen, solange diese für den Händler keine bindende Wirkung entfalten", meint der Branchenkenner. Demgegenüber verstoße eine wie auch immer geartete Einflussnahme auf die Preisgestaltung des Händlers regelmäßig gegen das Kartellrecht und sei deshalb unzulässig.
Hinzu komme außerdem die Angst der Vollsortimenter aus dem Lebensmittelhandel (LEH), an Boden gegen die preisaggressiven Discounter à la Aldi, Lidl & Co. zu verlieren. Und so hoffen Getränkehersteller, insbesondere Brauer, auf die Milde von Edeka und Rewe, die grassierende Inflation wenigstens zum Teil weiterzugeben, indem sie entweder in die eigenen Preise investieren oder die Teuerung zumindest partiell an die Verbraucher weiterleiten.

Mosa und Souque im Clinch mit Nahrungsmittelherstellern

Doch die Chancen, bei den führenden Vollsortimentern des deutschen Lebensmittelhandels auf Verständnis zu stoßen, stehen nach den jüngsten Ereignissen eher schlecht. So schmetterte Edeka Chef Markus Mosa erst neulich eine von Coca-Cola für den 1. September angekündigte Preiserhöhung von 10 Prozent nach Angaben des Inside Getränke-Magazins als "nicht gerechtfertigt" ab. Die Reaktion des amerikanischen Bottlers, der sich seiner relevanten Marktstellung bewusst ist, ließ nicht lange auf sich warten. Der Erfrischungsgetränkehersteller drehte den Spieß einfach herum, indem er der Edeka-Zentrale mitteilte, "die Annahme von Bestellungen der Edeka ab dem 1. September 2022 zu verweigern". 

Offensichtlich scheint sich aber nicht nur Markus Mosa im Clinch mit Lebensmittellieferanten zu befinden, sondern auch sein Kölner Mitbewerber. So erzählte Lionel Souque, der Rewe-Vorstandsvorsitzende, vor kurzem vor der Wirtschaftspublizistischen Vereinigung in Düsseldorf, welche Meinung er von einem Lebensmittelhersteller hat, der ihm während des Fußballspiels des 1. FC Köln (Rewe ist Hauptsponsor) gegen den VFB Stuttgart die Frage stellte, ob er ihn kenne. Souques Antwort: "Natürlich kenne ich Sie, und ich kenne auch Ihre Preise. Nicht, weil ich alle Preise von 50. 000 Artikeln weiß, aber weil Sie einer der schlimmsten sind.“ Der Lieferant hatte angekündigt, seine Preise um 17 Prozent zu erhöhen.

Der Rewe-Chef verdeutlichte auf der Abendveranstaltung in Düsseldorf, dass er sich künftig "entschieden gegen ungerechtfertigte Aufschläge wehre".  Gerade unter multinationalen Konsumgüterherstellern gebe es Trittbrettfahrer, die von den gestiegenen Preisen und der Gewöhnung daran profitieren wollten. „Da kämpfen wir brutal dagegen“, sagte Souque. Der Franzose schimpfte weiter: „Uns werden zurzeit von den Herstellern jede Woche neue Preiserhöhungen angekündigt.“ Jede davon werde überprüft, ob sie nachvollziehbar sei. Bei rund drei Vierteln bleibe dem Handelskonzern nichts anderes übrig, als sie anzunehmen. Allerdings schlage dies nicht automatisch auf die Preise am Regal durch. Rewe will nach eigenen Angaben in diesem Jahr auf einen Rohertrag im mittleren dreistelligen Millionenbereich verzichten, um Preissteigerungen zumindest etwas aufzufangen.

Auch die selbstständigen Kaufleute litten derzeit unter den "enormen Kostensteigerungen". So seien die Energiekosten für einen Supermarkt mit 1.000 Quadratmetern in diesem Jahr von 80.000 auf 140.000 Euro gestiegen. Gerade die Kühlung mache für die Supermärkte einen großen Teil der Energiekosten aus, Stromkosten seien laut Souque für den Lebensmittelhändler bedeutender als die Kosten für Gas. Auch die Konsumenten würden nach Souques Worten schon ihr Einkaufsverhalten anpassen. So sei sichtbar, dass viele Kunden von Markenprodukten zu Eigenmarken wechselten, sie achteten außerdem verstärkt auf Aktionspreise. Innerhalb der Gruppe, zu der auch die Penny-Discounter gehören, sei eine klare Tendenz zum Discounter zu erkennen. //pip

GZ 09/24

Themen der Ausgabe

Titelthema: Gleisanschluss

Industrie und Getränkefachgroßhandel nehmen die Schiene ins Visier. Dekarbonisierung und Personalmangel drängen zum Umdenken. 56 Organisationen haben zu Beginn des Jahres die „Charta für die Schiene“ unterschrieben. Die Zeit drängt, denn der Gesetzgeber verlangt bis 2030 eine CO2-Reduktion von 40 Prozent gegenüber 2018. Die Crux: eine marode Bahn.

Aktuelles Interview: Maximilian Huesch

Maximilian Huesch ist Logistikexperte, Beirat und geschäftsführender Partner bei Huesch & Partner. Im Interview mit der GZ macht der Profi deutlich, vor welchen Herausforderungen die Branche steht, den Verkehr aufzugleisen.

Gastkommentar: Marcus Vollmers

Marcus Vollmers ist Geschäftsführer der Get N GmbH & Co. KG in Langenhagen, einem bundesweiten Zusammenschluss regional marktführender Getränke-Fachgroßhandelsunternehmen. Im Gastkommentar erklärt der Geschäftsführer, welche Vorteile eine stärkere Nutzung des Schienenverkehrs in Bezug auf Nachhaltigkeit und Bewältigung des Fachkräftemangels bieten.