Die  Lage der deutschen Brauwirtschaft ist, trotz Erholung des Marktes, aufgrund der Corona-Nachwehen und der Energiekrise aufgrund des Russland-Ukraine-Krieges ziemlich angespannt. (Foto: Adobe/photoschmidt)
Die Lage der deutschen Brauwirtschaft ist, trotz Erholung des Marktes, aufgrund der Corona-Nachwehen und der Energiekrise aufgrund des Russland-Ukraine-Krieges ziemlich angespannt. (Foto: Adobe/photoschmidt)

Brauwirtschaft bangt vor Blackout

Eine Erholung des Marktes im 2. Halbjahr sei angesichts der enormen Herausforderungen, vor denen die Branche stehe, nicht zu erwarten, warnt der Deutsche Brauer-Bund. Im 1. Halbjahr 2022 seien 253,8 Millionen Liter Bier beziehungsweise 5,5 Prozent weniger als vor der Krise im 1. Halbjahr 2019 abgesetzt worden.

Der Deutsche Brauer-Bund (DBB) sieht daher wenig Anlass zur Freude. Im Gegenteil: "Die deutsche Brauwirtschaft arbeitet weiter im Krisenmodus", warnt daher Hauptgeschäftsführer Holger Eichele. Die Lage sei sehr angespannt. Eichele: "Die Corona-Pandemie hatte eine beispiellose Absatzkrise ausgelöst, deren Folgen viele Brauereien noch lange nicht überwunden haben. Neben der Gastronomie, der Tourismus- und der Veranstaltungswirtschaft gehört das Braugewerbe zu den Branchen, die am schwersten von der Corona-Krise und den Lockdowns betroffen waren." Die aktuellen Zahlen zeigten: "Der Bierabsatz im 1. Halbjahr 2022 war noch weit vom Vorkrisen-Niveau entfernt."

Eine Erholung des Marktes im 2. Halbjahr sei angesichts der enormen Herausforderungen, vor denen die Branche stehe, nicht zu erwarten, sagt der DBB-Hauptgeschäftsführer und begründet die angespannte Situation: "Nach der Absatzkrise kämpfen unsere Brauereien jetzt gegen eine Energiekrise, deren Dimensionen sich nur erahnen lassen." Die Brauwirtschaft habe über Jahrzehnte enorme Anstrengungen geleistet, um ihren Energieverbrauch immer weiter zu senken – doch trotz ausgefeilter Nachhaltigkeitskonzepte und Investitionen in modernste Technik sei es derzeit unmöglich, Gas als wichtigsten Energieträger zu ersetzen. "Die Ernährungswirtschaft ist nach der chemischen Industrie die Branche mit dem zweithöchsten Gasverbrauch. Und sie ist zwingend angewiesen auf Vorlieferanten – in unserem Fall sind das zum Beispiel die Mälzereien oder die Hersteller von Mehrwegflaschen", verdeutlicht Eichele. 

Die gesamte Branche beschäftige die tiefe Sorge vor einem Blackout, so Eichele: "Ohne Gas bleiben die Regale leer. Schon heute steht fest: Die massiv steigenden Kosten als Folge des Krieges gegen die Ukraine werden in der Brauwirtschaft tiefe Spuren hinterlassen. Immer mehr mittelständische Betriebe gehen in die Knie, Lieferketten stehen vor dem Kollaps. Wir richten in dieser Krise den dringenden Appell an die Politik, alle Vorhaben zu stoppen, die neue Belastungen für die Betriebe bringen."

Bierabsatz noch nicht auf Vor-Krisen-Niveau

Das Statistische Bundesamt (Destatis) teilt die Einschätzungen des Deutschen Brauer-Bundes. Zwar sei der Bierabsatz im 1. Halbjahr 2022 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 3,8 Prozent beziehungsweise 157,2 Millionen Liter gestiegen, bewege sich aber noch nicht auf Vorkrisen-Niveau, heißt es aus Wiesbaden.

Wie Destatis weiter mitteilt, haben die in Deutschland ansässigen Brauereien und Bierlager im 1. Halbjahr 2022 rund 4,3 Milliarden Liter Bier abgesetzt. In den Zahlen sind alkoholfreie Biere und Malztrunk sowie das aus Ländern außerhalb der Europäischen Union (EU) eingeführte Bier nicht enthalten. 82,5 Prozent des gesamten Bierabsatzes waren für den Inlandsverbrauch bestimmt und wurden versteuert. Der Inlandsabsatz sei im Vergleich zum 1. Halbjahr 2021 um 6,4 Prozent auf 3,6 Milliarden Liter gestiegen. Die restlichen 17,5 Prozent beziehungsweise 759,2 Millionen Liter seien steuerfrei (als Exporte und als sogenannter Haustrunk) abgesetzt worden. Das seien 7,0 Prozent weniger gewesen als im Vorjahr. Davon seien 405,3 Millionen Liter (+6,6 %) in EU-Staaten, 348,5 Millionen Liter (-19,1 %) in Nicht-EU-Staaten gegangen und 5,3 Millionen Liter (-1,9 %) unentgeltlich als Haustrunk an die Beschäftigten der Brauereien.

Bei den Biermischungen – Bier gemischt mit Limonade, Cola, Fruchtsäften und anderen alkoholfreien Zusätzen – sei im 1. Halbjahr hingegen ein Rückgang zu verzeichnen gewesen, so Destatis. Gegenüber dem 1. Halbjahr 2021 seien 3,3 Prozent weniger Biermischungen abgesetzt worden. Sie machten mit 231,0 Millionen Litern 5,3 Prozent des gesamten Bierabsatzes aus. //pip

GZ 09/24

Themen der Ausgabe

Titelthema: Gleisanschluss

Industrie und Getränkefachgroßhandel nehmen die Schiene ins Visier. Dekarbonisierung und Personalmangel drängen zum Umdenken. 56 Organisationen haben zu Beginn des Jahres die „Charta für die Schiene“ unterschrieben. Die Zeit drängt, denn der Gesetzgeber verlangt bis 2030 eine CO2-Reduktion von 40 Prozent gegenüber 2018. Die Crux: eine marode Bahn.

Aktuelles Interview: Maximilian Huesch

Maximilian Huesch ist Logistikexperte, Beirat und geschäftsführender Partner bei Huesch & Partner. Im Interview mit der GZ macht der Profi deutlich, vor welchen Herausforderungen die Branche steht, den Verkehr aufzugleisen.

Gastkommentar: Marcus Vollmers

Marcus Vollmers ist Geschäftsführer der Get N GmbH & Co. KG in Langenhagen, einem bundesweiten Zusammenschluss regional marktführender Getränke-Fachgroßhandelsunternehmen. Im Gastkommentar erklärt der Geschäftsführer, welche Vorteile eine stärkere Nutzung des Schienenverkehrs in Bezug auf Nachhaltigkeit und Bewältigung des Fachkräftemangels bieten.