Getrocknete Kaffeekirschen - die Basis des neuen Stars im Getränkesektor? (Foto: ©lukyeee_nuttawut - stock.adobe.com)
Getrocknete Kaffeekirschen - die Basis des neuen Stars im Getränkesektor? (Foto: ©lukyeee_nuttawut - stock.adobe.com)

Cascara - dieses Getränk wird den Markt verändern

Seit dem 4. Februar 2022 ist getrocknete Pulpe der Kaffeekirsche (auch bekannt als Cascara) sowie Aufguss daraus in der EU als „Novel Food“ zugelassen. Die Entscheidung wird den Getränkemarkt verändern.

Text: Benjamin Brouër

Nicht weniger als ein neues Kapitel in der Geschichte des Kaffees sehen viele Marktbeobachter mit der EU-Entscheidung aufziehen. In der Tat ist die Bedeutung der „Durchführungsverordnung (EU) 2022/47 der Kommission vom 13. Januar 2022“ (mit Wirkung zum 4. Februar 2022) nicht zu unterschätzen. Sie beendet ein jahrelanges Ringen um die Frage, welche Teile der Kaffeepflanze in der EU als Lebensmittel zugelassen sind. Ab sofort darf also auch getrocknete Pulpe (also die Schale bzw. das Fruchtfleisch) der Kaffeekirsche sowie Aufguss daraus als traditionelles Lebensmittel aus einem Drittland in Verkehr gebracht werden.

Die Zulassung produziert viele Gewinner: Zum einen eröffnet sich für die Kaffeefarmer eine weitere Einnahmequelle neben dem Verkauf der Kaffeebohnen, zum andern stehen etliche Kaffeeproduzenten in den Startlöchern, um innovative Produkte auf den Markt zu bringen. Doch nicht nur die – auch Limohersteller und selbst Brauereien dürften die Nachricht aufmerksam verfolgt haben. Denn Cascara hat durchaus eine Historie, wenn auch eine kurze, auf dem deutschen und europäischen Markt.

So sah der Cascara-Start anno 2015 aus. Das erfolgversprechende Startup Selosoda musste sein Produkt aufgrund der fehlenden Zulassung wieder vom Markt nehmen. Aktuell setzen die Macher auf Selo Green Coffee, Erfrischungsgetränke mit Koffein aus der grünen Kaffeebohne (www.drinkselo.com).
So sah der Cascara-Start anno 2015 aus. Das erfolgversprechende Startup Selosoda musste sein Produkt aufgrund der fehlenden Zulassung wieder vom Markt nehmen. Aktuell setzen die Macher auf Selo Green Coffee, Erfrischungsgetränke mit Koffein aus der grünen Kaffeebohne (www.drinkselo.com).

Es war Laura Zumbaum mit ihrem Startup Selosoda, die 2015 als erste ein fertig abgefülltes Erfrischungsgetränk auf Cascara-Basis auf den Markt brachte und schnell für Furore sorgte. Die Kölner Brauerei Gaffel stieg im Frühjahr 2016 ebenfalls mit einer Limonade aus Kaffeekirschen namens „Gaffel Cascara Sparkling“ in den verheißungsvollen Markt ein. Doch diese wie auch zahlreiche weitere Projekte wurden gegen Ende des Jahres 2016 jäh gestoppt. Bis dahin etwas unter dem Radar der EU hinweggeflogen, ploppte das stark an Aufmerksamkeit gewinnende Thema irgendwann in Brüssel auf. Die Folge: Die Frucht der Kaffeepflanze wurde als neuartiges Lebensmittel eingestuft und fiel damit unter die Verordnung für „Novel Food“. Als solches hatte die Kaffeekirsche beziehungsweise deren getrocknete Schale aber keine Zulassung: Eine solche dauert lange, ist aufwendig und teuer – Zeit und Geduld, die insbesondere die Startups nicht hatten. Und so mussten sämtliche Produkte kurzerhand wieder vom Markt genommen werden.

Die Kaffeepflanze bietet noch viel mehr als die Kirschen samt Bohnen. Ganz frisch ist Kaffeeblatt-Tee in der EU als Lebensmittel zugelassen worden. Was hat es damit auf sich?

Es brauchte letztlich die Power von zwei Schwergewichten, namentlich Nestlé und Lavazza, die beide einen Antrag auf Zulassung stellten, um das Comeback im Jahr 2022 einzuläuten. Im Zuge des mehrjährigen Verfahrens konnten die beiden Firmen belegen, dass getrocknete Schale der Kaffeekirsche sowie der Aufguss daraus in Jemen, Äthiopien und Bolivien seit langem als sicheres Lebensmittel verwendet werden. Der Weg zur Zulassung als Novel Food in der EU war damit frei. Und diese umfasst eben nicht nur den teeartigen Aufguss, sondern auch den Einsatz in aromatisierten und nicht aromatisierten nichtalkoholischen trinkfertigen Getränken. Spannend wird nun sein zu beobachten, wer sich als erstes mit welchen Produkten vorwagt. Dass unter den zukünftigen Produzenten keinesfalls nur Startups sein werden, zeigen allein die beiden prominenten Antragsteller.

Bereits verfügbar: Kaffeekirschentee, zum Beispiel von Pacha Mama
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Cascara lässt sich vielfältig einsetzen, heiß aufgebrüht als Tee, kalt als purer Erfrischer oder auch als Filler in Drinks
Cascara lässt sich vielfältig einsetzen, heiß aufgebrüht als Tee, kalt als purer Erfrischer oder auch als Filler in Drinks

Schon jetzt verfügbar (zum Beispiel als Import über die Schweiz) sind Cascara-Teemischungen, also die getrocknete Schale zum Aufguss mit heißem Wasser. Ein fruchtig-aromatischer Wachmacher mit rein natürlichen Zutaten, der dank des natürlichen Gehalts an Fruchtzucker ohne zusätzlichen Zucker auskommt. In dieser Form wird sich Cascara sicherlich einen Platz in Coffee Bars erobern können.

Die Zusammenarbeit der Kaffeemarke Pacha Mama mit der Murnauer Kaffeerösterei zeigt beispielhaft, wie die Entwicklung eines attraktiven Produkts mit der Unterstützung von Kaffeebauern Hand in Hand gehen kann. Mit ihrem Projekt „Coffee Cherry Tea“ gaben sie einer Kaffeekooperative in Peru Hilfestellung dabei, dieses zusätzliche Standbein innerhalb von drei Jahren gewinnbringend und auf nachhaltige Weise aufzubauen. Im Zuge der Entwicklung nach dem Trial-and-Error-Prinzip sind die Beteiligten unter anderem zu der Erkenntnis gekommen, dass sich nicht jede Kaffee-Varietät gleichermaßen für Cascara eignet. „Die Kaffeekirsche einer bestimmten Varietät mag guten Kaffee abgeben, das heißt aber nicht, dass sie automatisch auch aromatischen Cascara-Tee ergibt“, erklärt Thomas Eckel, Inhaber der Murnauer Kaffee-Rösterei. Das Fruchtfleisch müsse eine gute Balance zwischen süß und sauer haben. Im Zuge des „Coffee Cherry Tea“-Projekts hätten sich vor allem die Varietäten Caturra und Catuai als geeignet erwiesen. Sicherlich nicht die letzte Lehre bei der intensiven Beschäftigung mit dem in unseren Breiten neuen Lebensmittel.

Der Neustart von Cascara in der EU wird den Getränkemarkt verändern – und die Chancen stehen gut, dass die Veränderungen positiver Natur sind, denn Cascara ist ein nachhaltiges und ökonomisch wertvolles Produkt. Es trägt dazu bei, dass möglichst viel von der Kaffeepflanze verwertet wird und dass sich Kaffeebauern eine zusätzliche Einkommensquelle erschließen können. Und schmackhaft ist es obendrein.

barista 2022 - Magazin für Kaffeekult. Titelthema: nuruCoffee
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fizzz 04/2024

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Juliane Winkler, die Restaurantleiterin des „Nobelhart & Schmutzig“ in Berlin liebt ihren Beruf. Und setzt sich mit
#proudtokellner dafür ein, dass er mehr Wertschätzung erhält.

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