Eine Krise kommt selten allein: Nachdem die Gasknappheit die Produktionskosten bei energieintensiven Unternehmen nach oben getrieben hat, folgt nun ein Mangel an Harnstoff (Ad-Blue) für Dieselfahrzeuge bzw. an Kohlensäure. (Foto: Adobe Stock)
Eine Krise kommt selten allein: Nachdem die Gasknappheit die Produktionskosten bei energieintensiven Unternehmen nach oben getrieben hat, folgt nun ein Mangel an Harnstoff (Ad-Blue) für Dieselfahrzeuge bzw. an Kohlensäure. (Foto: Adobe Stock)

Ad-Blue-Knappheit gefährdet Getränkefachgroßhandel

Die Logistikbranche gerät unter Druck, nachdem der wichtigste Ad-Blue-Produzent SKW aufgrund der Gaskrise seine Produktion eingestellt hat. Der Harnstoff wird zur Reinigung von Dieselabgasen benötigt. Auch der Getränkefachgroßhandel sei davon betroffen, wie der geschäftsführende Vorstand des Bundesverbandes des Deutschen Getränkefachgroßhandels, Dirk Reinsberg, der Getränke Zeitung auf Anfrage mitteilte.

Nach Angaben des Bundesverbands Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) sind auf deutschen Straßen rund 1,9 Millionen Nutzfahrzeuge unterwegs, die mit Dieselmotoren betrieben werden. Experten schätzen den täglichen Bedarf an Ad-Blue in Deutschland von Herstellerseite auf 15 Millionen Liter am Tag ein. Grund genug für den Vorstandssprecher des Verbandes Güterkraftverkehr und Logistik (BGL), Dirk Engelhardt, Alarm zu schlagen. Seine Befürchtung: "Ohne Ad-Blue stehen die meisten Lkw still – es drohen leere Supermarktregale." Er mahnte zudem an, dass die Regierung nicht erst Maßnahmen ergreifen dürfe, wenn alle Reserven an Ad-Blue aufgebraucht seien. Engelhardt beklagte zudem, dass sich die Preise von Ad-Blue von Jahresbeginn 2021 bis August dieses Jahres vervierfacht hätten.

Auch der geschäftsführende Vorstand des Bundesverbandes des Deutschen Getränkefachgroßhandels, Dirk Reinsberg, betrachtet die Ad-Blue-Krise als real: "Es handelt sich hier zwar um kein neues Thema, aber es ist ein sehr reales Szenario, das vom Getränkefachgroßhandel (GFGH) bis weit in den privaten Bereich reicht. Alle Diesel betriebenen LKWs laufen also Gefahr, ohne Ad-Blue auf dem Hof stehen zu bleiben." Wann genau eine Verknappung des Harnstoffes eintrete, sei kaum abzusehen, weil kaum einer abschätzen könne, wie groß noch die Ad-Blue-Reserven bei den herstellenden Unternehmen wie der BASF oder SKW seien, sagt Reinsberg.

"Jetzt ist vor allem die Bundesregierung gefordert, die dafür Sorge tragen muss, dass nicht nur die Versorgung von Harnstoff, sondern auch von Düngemittel aufrechterhalten bleiben muss. Ansonsten werden wir im nächsten Jahr ebenso riesige Ernteausfälle haben. Diese systemrelevanten Ketten müssen unbedingt aufrechterhalten bleiben." 

Die Produktion von Ammoniak hängt wie kaum eine andere Grundchemikalie am Erdgas – es macht dort 90 Prozent der variablen Kosten aus. Diese Abhängigkeit hat jetzt fatale Folgen. Ad-Blue-Produzenten wie die aus Wittenberg stammende SKW klagen über eine Gasumlage von rund 30 Millionen Euro monatlich. Branchenstimmen zufolge sollen die hohen Gaspreise nun auch dazu führen, dass vermehrt Harnstoff aus Russland importiert wird, weil dort die Gaspreise günstiger sind und der Import nicht gegen das russische Embargo verstoße.

Industriell wird Ad-Blue aus Ammoniak und Kohlendioxid hergestellt. Es entsteht als Nebenprodukt aus der Herstellung von Düngemittel. Bei hohem Druck entsteht das Zwischenprodukt Ammoniumcarbamat, das anschließend bei niedrigem Druck in Harnstoff umgewandelt wird. Ad-Blue wird in Großanlagen als Blendingprodukt aus Harnstoff produziert. //pip

GZ 08/24

Themen der Ausgabe

Titelthema: Mineral- und Tafelwasserverordnung

Der Entwurf des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft zur Neufassung der Mineral- und Tafelwasserverordnung könnte zu Verwerfungen im gesamten Mineralwassermarkt führen. Verbände fordern daher dringend Nachbesserungen.

Aktuelles Interview: Jürgen Reichle, VDM

Jürgen Reichle, Geschäftsführer des Verbands Deutscher Mineralbrunnen, sieht beim vorgelegten Entwurf für die Mineral- und Tafelwasserverodnung Verbesserungsbedarf in mehreren Punkten. Der nächste Schritt sei eine intensive Dialogphase mit Bund und Ländern.

Gastkommentar: Thomas Fischer, DUH

Thomas Fischer, Bereichsleiter Kreislaufwirtschaft bei der Deutschen Umwelthilfe, hält die in der PPWR festgelegt Mehrwegquote von vorerst 10 Prozent für deutlich zu niedrig angesetzt. Ein erhoffter Rückenwind für Mehrweg werde so ausbleiben sagt er und fordert deshalb nationale Maßnahmen zum Mehrwegschutz.