Trendgetränk Cold Brew Coffee (Foto: Istockphoto.com/JulyProkopiv)
Trendgetränk Cold Brew Coffee (Foto: Istockphoto.com/JulyProkopiv)

Cold Brew – aber richtig!

Cold Brew Coffee: Alle haben’s, viele machen’s selbst, die wenigsten professionell. Wir zeigen, worauf es ankommt und warum Brühzeiten jenseits der 12 Stunden ein Irrweg sind.

Cold Brew hat in den letzten Jahren in Deutschland eine enorme Entwicklung genommen – die wissenschaftliche Forschung allerdings steckt noch in den Anfängen. Viele Mythen ranken sich um das In-Getränk, Halbwissen und Missverständnisse geben sich die Hand. Angefangen beim Namen, denn Cold Brew steht im Kern – anders als Eiskaffee – nicht für ein kaltes Getränk, sondern für eine Extraktionsart, für die langsame Aromaextraktion bei niedrigen Temperaturen. Ein aktuelles Wissenschaftspaper der Autoren Raven Kwok, Kenny Lee Wee Ting, Steffen Schwarz, Linda Claassen und Dirk W. Lachenmeier mit dem Titel „Cold Brew Coffee – Roasting, Extraction, Flavor Profile, Contamination, and Food Safety“ räumt mit einigen Unklarheiten auf und zeigt vor allem, wie sich Cold Brew professionell und lebensmittelsicher herstellen lässt. Denn das Ergebnis hängt, ebenso wie beim heiß extrahierten Kaffee, von etlichen Parametern ab wie der Kaffeevarietät, der Verarbeitung, dem Röstprofil, dem Mahlgrad, der Dosierung, der Wasserzusammensetzung, dem verwendeten Brühsystem, der Extraktionstemperatur und der Dauer.

Extraktion: Temperatur, Dauer und Ausbeute
Die mögliche Extraktionstemperatur reicht von nahezu 0 Grad Celsius bis hin zu knapp Körpertemperatur, „Cold“ muss also nicht unbedingt eiskalt bedeuten. Eine universell akzeptierte Extraktionstemperatur ist bislang nicht bekannt, zumal diese wie oben beschrieben von vielen weiteren Faktoren abhängig ist. Klar ist: Je niedriger die Temperatur, desto länger muss die Extraktionszeit gewählt werden, um die angestrebte Extraktionsquote zu erreichen. Umfragen im Zuge der Studie haben als beliebteste Extraktionstemperatur 8° C, gefolgt von 20° C, ergeben.

Auch bei der Extraktionsdauer gehen die Meinungen und gewählten Werte weit auseinander, häufig ist von Ziehzeiten von 24 Stunden und darüber die Rede. Die Dauer ist maßgeblich in (gegenseitiger) Abhängigkeit zur Extraktionstemperatur zu betrachten. Die beiden Werte sollten so ins Lot gebracht werden, dass eine optimale Extraktionsausbeute erzielt wird. Optimal ist diese Quote dann, wenn die gewünschten Aromen schon und die ungewünschten Aromen noch nicht extrahiert sind und das fertige Produkt möglichst wenig Angriffsfläche für Kontaminationen bietet. Nicht alles, was löslich ist, sollte extrahiert werden – diesem Leitsatz folgen aktuell leider noch allzu wenig Produkte. Bei den handgemachten Cold Brews aus den Coffee-Shops dominieren nach Ansicht der Autoren bislang überextrahierte und überlagerte Produkte, die teilweise sehr säurelastig und bitter sind. Die Experten empfehlen für ein balanciertes Ergebnis eine Extraktionsquote von etwa 70 Prozent bei deutlich geringeren Ziehzeiten als üblich kolportiert, nämlich etwa zwei Stunden bei 15° Celsius (siehe auch Zubereitungstipp). Aus sensorischen Gründen, so die Kernaussage, gewinne das Produkt nichts, wenn es beim Immersionsverfahren länger als zwei Stunden ziehe. Im Gegenteil: Eine verlängerte Ziehzeit führe zur Überextraktion und fördere die Bitterkeit des Endprodukts.

Aroma
Im Vergleich zu heiß aufgebrühtem Kaffee zeigen sich beim Cold Brew deutliche aromatische Unterschiede. Die an Kaffeeöle gebundenen Aromen wie Kräuter, Gewürze, Nüsse etc. spielen beim Cold Brew keine Rolle, da diese nicht durch kaltes Wasser löslich sind. Dafür treten fruchtige, florale und vegetale Noten – allesamt wasserlöslich – deutlicher zutage. Cold Brew besitzt einen etwas schlankeren Körper als Filterkaffee und ist insgesamt erfrischender.

Trendgetränk Cold Brew Coffee (Foto: Istockphoto.com/Stevica Mrdja)
Trendgetränk Cold Brew Coffee (Foto: Istockphoto.com/Stevica Mrdja)

Röstprofil
Passend zu diesem Charakter sollte auch ein Röstprofil entwickelt werden, das eher die fruchtigen und floralen Noten des Kaffees betont. Das ideale Röstprofil für ein Cold Brew ähnelt der Kurve für einen Filterkaffee, weicht dafür stärker vom Röstprofil für einen Espresso ab. Im Vergleich dieser drei Röstungen verlangt der Cold Brew die kürzeste Röstdauer. Insbesondere die Phase 3 des Röstprozesses wird früher gestoppt, um eine zu starke Bildung von Maillard-Aromen zu verhindern. 

Brühmethoden
Cold Brew kann mittels drei verschiedener Extraktionsmethoden hergestellt werden: im Immersionsverfahren Cold Leach (analog French Press), als Cold Press (per Über- oder Unterdruck) und als Cold Drip. Letztere Variante hat sich wegen der konzentrierten fruchtigen und floralen Aromen als besonders beliebt erwiesen, ist gleichzeitig aber auch die aufwändigste Methode, da sie viel Zeit erfordert und eine spezielle Apparatur vonnöten ist. Empfohlen wird hier ein Brühverhältnis von 1:5, auf beispielsweise 300 Gramm Kaffee kommen 1450 Gramm Eiswürfel und 50 Gramm gefiltertes Wasser. Die Extraktion dauert zwischen von 8-12 Stunden.

Kontaminierung und Lagerung
Cold Brew besitzt in der Regel einen ph-Wert von 4,9 bis 6, bewegt sich also im niedrigen sauren Bereich. Das bedeutet, dass das mikrobielle Wachstum nicht effektiv unterdrückt wird. Es kann daher zu einer mikrobiologischen Kontaminierung (u.a. Schimmelpilze, Hefen, Milchsäure- oder Essigsäurebakterien) kommen, die hauptsächlich den Geschmack beeinflusst, mitunter aber auch gesundheitlich bedenklich werden kann. Um eine solche Kontaminierung zu verhindern, sollte der Cold Brew stets so frisch wie möglich zubereitet und nur kurz aufbewahrt werden. Auch gibt es Anzeichen, dass die Gefahr einer Kontaminierung mit längeren Brühzeiten steigt. Handwerklichen, kleinen Herstellern, die kaum steril arbeiten können, wird empfohlen, den Cold Brew am besten täglich frisch zu produzieren und aufzubrauchen, in jedem Fall sollte eine Lagerzeit (im Kühlschrank!) von maximal zwei Tagen nicht überschritten werden. Je länger das Produkt aufbewahrt wird, desto stärker setzt sich die Säure durch, der Etahnol-Gehalt steigt und aufgrund der Hefe- und Bakterientätigkeiten sinkt gleichzeitig der Grad an Süße. Außerdem setzt eine Oxidation ein, die das Produkt ranzig und fad werden lässt.

Zubereitungsempfehlung
Die Experten empfehlen folgende einfache Rezeptur im Immersionsverfahren, die ein konsistentes und stabiles Produkt ergibt:

80 Gramm mittelfein gemahlener Kaffee (Tipp: Catuai, Pulped Natural oder Natural)
auf 1 Liter Wasser (4,8 Grad Deutscher Härte),
Ziehzeit 2 Stunden bei anfänglich 15 Grad Celsius (Wasserhahntemperatur),
dann aufbewahrt in einem Plastikcontainer im Kühlschrank,
nach einer Stunde umrühren.
Anschließend über Papierfilter filtern.

(Text: Benjamin Brouër)

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Der Artikel entstammt der neuen Ausgabe des Kaffeespecials "barista", das sich auf über 50 Seiten dem Kult rund um die schwarze Bohne widmet. Weitere Beiträge im Heft: Hoppenworth & Ploch, Kaffeeblatt-Tee, Milchalternativen, Coffeeshop-Design weltweit, Kaffee-Trainingcenter. 
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