Hundeodeur

Sebastian BordethäuserIch sitze zu Mittag in einem guten Restaurant und der letzte freie Tisch wird gerade belegt. Das Pärchen, das neben mir platziert wird, nickt freundlich zum Gruße, den ich just erwidern möchte, als mir das Ausmaß dessen bewusst wird, was meinen Mittag die nächsten zwei Stunden bestimmen wird. Die Musik verstummt, die Milch in meinem Kaffee flockt, der Champagner wird schal. In aller Ruhe wird ein Rucksack geöffnet und eine Reihe von Utensilien ausgepackt: Eine Decke, ein Spielzeug, ein extra Trink- und Fressgefäß und letztlich etwas zu knabbern, was sich als getrocknete Schwarte entpuppt. Dann sehe ich endlich meinen unmittelbaren Tischnachbarn, nachdem ihn sein Geruch bereits ankündigte: Ein riesiger Köter. Das Ehepaar kümmert sich um ihn wie um ein Kind, mit großer Fürsorge nebst Babytalk, schließlich soll Wautzi auch einen schönen Mittag haben, während Mami und Papi sich etwas Besonderes leisten.

Es ist nicht der Aufmerksamkeits-Sturm, den der Hund beim Personal auslöst, ob positiv (wie süüü-üüß) oder negativ (die über den Hund stolpernde Hälfte des Personals inklusive mir). Es ist sein Geruch, denn er stinkt zur Hölle. Sein mitgebrachtes Essen stinkt. Die Decke, auf der er liegt, stinkt. Sein Brodem stinkt, wenn er seinen Knochen zwischen den Vorderpfoten hält und mit geöffnetem Maul in meine Richtung kaut. Ein Restaurant ist ein Ort, an dem Menschen speisen. Die deutschen HACCP Standards werden immer höher, die Hygiene-Auflagen immer strenger und dann das: ein 35 Kilo schwerer, haarender Stinke-Köter. Luftlinie keine zwei Meter von meiner köstlichen Vorspeise entfernt, die ich kaum riechen kann. 

Restaurants steht es frei zu entscheiden, ob Hunde bei ihnen erwünscht sind. Das ist legitim. Ich rede auch nicht von Gasthäusern, Wirtschaften oder anderer Alltags-Gastronomie, sondern explizit von Restaurants. Von Orten, an denen man sich der Kulinarik verschrieben hat, an denen geschultes, gepflegtes und gut riechendes Personal arbeitet. An diesen Orten macht man sich viele Gedanken um Details und hat die riesigen Lilien-Bouquets schon vor Jahren abgeschafft, eben weil sie stinken. Und sie haben bestenfalls sogar einen Kellner eingestellt, der allein dafür da ist, mich betrunken zu machen. Und nun das. 

Die Gäste am Nebentisch bitten den Sommelier, ihrem Hund Wasser zu servieren. „Unser Hund braucht Wasser,“ lautet die Bestellung knapp. Wir alle brauchen Wasser. Aber ist ein gutes Restaurant ein Ort, an den man seinen Hund zum Wasser trinken ausführt? 
Restaurants sind dazu verpflichtet, Listen mit Allergenen für die Gäste bereit zu halten. Hundeallergie steht in diesem Fall nicht mit drauf. „Der tut nichts“,  hört man immer fort. Er muss auch nichts tun. Es reicht, dass es ihn gibt, um mir meinen Mittag zu versauen. Noch dazu kommt die Bedienung nur sehr mühsam an den Tisch um zu servieren, weil ein Riesen-Kalb davorliegt, das einfach zu groß ist, um sich unter einen runden Zweiertisch mit vier Beinen zu legen. Ich versuche mir die Situation schönzumalen. Es könnte regnen, denke ich, und der Hund nass sein.

Es wird diskutiert, Restaurant-Plätze wie Konzertkarten zu verkaufen, um No-Shows zu vermeiden. Ins Konzert oder in die Oper gehe ich auch ohne Hund. Und für die Dauer eines Mittagessens kann jeder Hund auf Frauchen warten.

01-24

Themen der Ausgabe

PANORAMA

Wie schmeckt die Zukunft Frankens?

PROFILE

Bibraud - kreativ und innovativ in Ulm

PROBE

Bairrada und Dão - Portugals feinste Rote