Ausgabe 08/2018

Für das Recht auf den eigenen Geschmack!

ddw8/2018

Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
garantiert jedem Menschen das Recht auf
freie Meinungsäußerung. Das schließt das Recht
eines jeden ein, seine Meinung zu verbreiten. Die
Grenze dieser Freiheit ist erst erreicht, wenn die
Ehre anderer verletzt oder zur Verletzung deren
körperlicher Integrität bzw. Freiheit aufgerufen
wird. Das Recht auf freie Meinungsäußerung ist
ein wichtiger Grundpfeiler unserer Demokratie
und deshalb auch fest im Grundgesetz verankert.
Uns als mündigen Staatsbürgern ist das
bekannt. Trotzdem ertappen wir uns gelegentlich
selbst dabei, unliebsame Meinungen am liebsten
zensieren zu wollen. Das kann sogar Meinungen
über Wein betreffen. Einen solchen Fall konnte
ich neulich in einer Diskussion in den Sozialen
Medien verfolgen. Dort wurde darüber diskutiert,
ob es einem Mitarbeiter des DWI erlaubt sein
sollte, sich öffentlich zum Riesling als Lieblingswein
zu bekennen. Ja, Sie haben richtig gelesen
und fragen sich vermutlich, warum man so eine
Diskussion überhaupt führen muss. Der Winzer,
der die Frage aufgeworfen hatte, stammt aus einem
Anbaugebiet, das weniger für seine Rieslinge
bekannt ist, und hatte wohl die Befürchtung, das
DWI würde die deutsche Leitrebsorte Nummer 1
vorrangig bewerben. In zahlreichen Kommentaren
von Kollegen und anderen Angehörigen der
Weincommunity konnte er sich im Verlauf davon
überzeugen, dass diese Annahme unbegründet
war. Das DWI widmet sich natürlich nicht monothematisch
dem Thema Riesling. Wenn
dem so wäre, könnte man das den
Verantwortlichen selbstverständlich
zum Vorwurf machen. Im Sinne von
Artikel 10 kann man aber niemandem
verbieten, Geschmackspräferenzen
zu haben und diese öffentlich
kundzutun. Zu Ehren der gelebten
Meinungsfreiheit habe ich
während der Diskussion
einen Riesling genossen.